Der Rosenkranz meiner Grossmutter beherbergt einen Microfilm. Wenn man das Kreuz ganz nahe an das Auge führt, sieht man darin die Steingadener Wies Kirche „Zum gegeisselten Heiland“.

Es ist das einzige Erbstück, das ich von ihr habe, es hängt vor mir an der Wand. Vor meinem Computerschirm.

Die „Wies“ ist Weltkulturerbe. Ihr Innenraum im reinstem Rokoko ist eine Pracht aus Farben, Gold und gefaktem Marmor.

Meine Frau und ich haben in dieser Kirche heiraten dürfen. Es war wie ein wenig im Himmel sein. Und das ist es heute noch. Wenn ich für ein paar Minuten alle Jahre dort her komme.

Vor allem an sonnigen Tagen scheint das Licht wie durch die Mauern hindurch und durchflutet alles. Die Landschaft mit ihren Farben ist wie ständig auf die Decke gemalt.

Wer seinen Blick dann auf dem Weg nach oben hebt, der wird das Aussen im Innenraum gespiegelt sehen und gar nicht anders können als glauben: die Welt muss sich einfach nach dem Tod fortsetzen. Wie an einem Sonnentag.